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PRIMUS –

Schulversuch zum längeren gemeinsamen Lernen in

Primar- und Sekundarstufe

Bericht über die erste Phase
der wissenschaftlichen Begleitung

2014-2017

(Zusammenfassung)

Prof.’in Dr. Ursula Carle | Universität Bremen

Prof.’in Dr. Christina Huf | Universität Münster

Prof. Dr. Till-Sebastian Idel | Universität Bremen

Sven Pauling M.Ed. | Universität Bremen

Bremen und Münster, den 23.04.2018

 

Inhalt

1 Einleitung .

2 Leitideen und Rahmenkonzept zum Schulversuch PRIMUS

3 Fragestellungen und Design der wissenschaftlichen Begleitung 

4 Zentrale Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der ersten Phase der

wissenschaftlichen Begleitung 

5 Ausblick auf die zweite Phase der wissenschaftlichen Begleitung 

6 Empfehlungen

1 Einleitung

Das vorliegende Papier fasst die zentralen Befunde der ersten Phase der wissenschaftlichen

Begleitung zum Schulversuch PRIMUS (2014-2017), die in einem ausführlichen Bericht parallel

vorgelegt werden, zusammen und formuliert Empfehlungen. Zu berücksichtigen ist,

dass es sich um ein Zwischenresümee handelt. Es bezieht sich auf die Phase der Errichtung

und des Aufbaus, die bereits mit der Initialisierung des Schulversuchs vor der Gründung der 5

Primus-Schulen (2013/14: Minden; 2014/15: Münster, Schalksmühle, Titz, Viersen) begonnen

hat und auch gegenwärtig noch anhält. Im Sinne einer Zwischenbilanz können zum gegenwärtigen

Zeitpunkt nur Aussagen darüber getroffen werden, wie sich die 5 Primus-

Schulen an ihren Standorten einrichten bzw. unter welchen Bedingungen sie bislang aufwachsen

konnten und mit welchen Problemstellungen sie sich in ihrer Entwicklungsarbeit auseinandersetzen

mussten. Es verbietet sich damit eine abschließende Einschätzung des Erfolgs

und Gelingens des Schulversuchs, auch wenn die Entwicklung bis dato darauf hindeutet, dass

PRIMUS für Schulträger und Eltern eine attraktive und leistungsfähige Schulform unter bestimmten

sozialräumlichen Konstellationen sein kann, die für die Schüler/innen ein innovatives

und zukunftsorientiertes pädagogisches Konzept bereithält. Nach der Skizze der Leitideen

und des Rahmenkonzepts werden das Vorgehen der wissenschaftlichen Begleitung in der ersten

Phase, zentrale Beobachtungen und Erkenntnisse sowie Anschlussperspektiven für die

zweite Phase der wissenschaftlichen Begleitung (2017-2020) beschrieben. Die Zusammenfassung

schließt mit Empfehlungen, die aus den bislang vorliegenden Befunden abgeleitet werden

können.

2 Leitideen und Rahmenkonzept zum Schulversuch PRIMUS

Das grundlegende Ziel des Schulversuchs PRIMUS ist es, die in Deutschland etablierte institutionelle

Trennung zwischen Primar- und Sekundarstufe aufzuheben und die beiden Stufen

in einer inklusiven Schulform, die alle Bildungsgänge anbietet, zusammenzuführen. Rechtliche

Grundlage für den Schulversuch ist der Artikel 2 Absatz 2 des 6. Schulrechtsänderungsgesetzes

des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25.10.2011. Dort heißt es: „Das Ministerium

kann auf Antrag des Schulträgers und nach Anhörung der betroffenen Schulen an bis zu 15

Schulen beginnend mit dem Schuljahr 2013/14 oder dem Schuljahr 2014/15 für einen Zeit3

raum von zehn Schuljahren und danach jahrgangsstufenweise auslaufend erproben, ob durch

den Zusammenschluss mit einer Grundschule zu einer Schule die Chancengerechtigkeit und

die Leistungsfähigkeit des Schulwesens erhöht werden und die Schülerinnen und Schüler

dadurch zu besseren Abschlüssen geführt werden können. Außerdem soll hierbei erprobt werden,

wie im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die sich wandelnde Abschlussorientierung

der Eltern weiterhin ein wohnortnahes Schulangebot ermöglicht werden kann

(...).“ Die weiteren inneren und äußeren Gestaltungsvorgaben sind in einem Eckpunkte-Papier

vom 28.06.2012 und in einem Leitfaden zum Schulversuch fixiert worden.

Am Schulversuch nehmen 5 Schulstandorte teil, in jedem Regierungsbezirk des Landes befindet

sich eine Primus-Schule (siehe Tabelle 1). Bis auf die Primus-Schule Minden, die bereits

ein Jahr früher startete, haben alle anderen 4 Primus-Schulen zum Schuljahr 2014/15 die

ersten Schüler/innen aufgenommen. Während die Primus-Schulen Schalksmühle, Minden und

Münster parallel mit dem ersten und fünften Jahrgang in den Schulversuch eingestiegen sind,

wachsen die Primus-Schulen in Viersen und Titz mit der Primarstufe auf. Die Primus-Schulen

Minden und Viersen sind dreizügig, die Primus-Schulen Schalksmühle, Münster und Titz

zweizügig. Die Primus-Schulen sind schulrechtlich gesehen keine Schulfusionen bestehender

Schulen am jeweiligen Standort, sondern Neugründungen. Die Bestandsschulen, deren Angebot

durch die Primus-Schulen ersetzt wird, laufen mit dem Aufwachsen der Primus-Schulen

sukzessive aus. Die Primus-Schule Münster ist auf zwei Standorte aufgeteilt; die Primus-

Schule Viersen wird mit dem Einmünden der ersten Schüler/innen in Jahrgang 7 einen zweiten

Standort eröffnen. Beide Primus-Schulen sind horizontal geteilt, d.h. die unteren Jahrgänge

werden an einem, die höheren Jahrgänge am anderen Standort geführt. Die Primus-Schulen

in Minden, Schalksmühle und Titz sind jeweils auf einem Schulcampus angesiedelt.

Schulstandort Minden Schalksmühle Münster Viersen Titz

Regierungsbezirk Detmold Arnsberg Münster Düsseldorf Köln

Gründungsjahr 2013/14 2014/15 2014/15 2014/15 2014/15

Start in den Jahrgängen 1 & 5 1 & 5 1 & 5 1 1

Standorte 1 1 2 2 1

Teilung - - horizontal horizontal -

Zügigkeit 3-zügig 2-zügig 2-zügig 3-zügig 2-zügig

Tab. 1: Gründungsjahre und -jahrgänge der Primus-Schulen

Im Zentrum des Schulversuchs PRIMUS steht der Versuch,

• durch Errichtung einer inklusiven Langformschule von Klasse 1-10 die äußere Trennung

von Primar- und Sekundarstufe zu überwinden, auf diese Weise den Übergang

zu entdramatisieren und damit kontinuierliche Schulbiografien zu ermöglichen sowie

• inklusive und individualisierende Unterrichtsarrangements mit alternativen Formen

der Leistungsbewertung in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen bis zum Ende der

Sekundarstufe 1 zu erproben.

Mit Primus-Schulen soll der Versuch der konsequenten Weiterführung einer an Chancengerechtigkeit

orientierten Schulreform mit dem Ziel längeren gemeinsamen Lernens in einer

inklusiven, reformpädagogisch profilierten und leistungsfähigen Schule unternommen werden,

die die Schüler/innen zu den jeweils ihren Potenzialen entsprechenden Schulabschlüssen

4

in einer kontinuierlichen Schullaufbahn an einer wohnortnahen, ab Klasse 4 bzw. 5 gebundenen

Ganztagsschule führt.

Die Primus-Schulen haben den Auftrag, „ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das die unterschiedlichen

pädagogischen Ansätze und methodisch-didaktischen Formen der Grundschule

und der weiterführenden Schulen miteinander verbindet und aufeinander bezieht“ (Leitfaden

zum Schulversuch, S. 6). Die schulstrukturelle Integration der beiden Schulstufen soll durch

eine enge Kooperation aller beteiligten Lehrkräfte in jahrgangsübergreifenden Teams über die

Stufen hinweg pädagogisch ausgestaltet werden. Dabei geht es insbesondere um die Nahtstelle

zwischen Primar- und Sekundarstufe, aber auch um anschlussfähige Lernarrangements und

„fließende Übergänge“ (Leitfaden zum Schulversuch, S. 11) zwischen allen inneren Übergängen

der Bildungsbiografie vom ersten bis zum zehnten Jahrgang. Im Aufbau der Primus-

Schulen am jeweiligen Standort müssen hierfür von den Kollegien passende eigene Arrangements

und Organisationsformen gefunden werden.

Im Leitfaden für die Schulen werden die unterrichtsbezogenen Erprobungsziele wie folgt

formuliert:

„Ziel ist es, durch individualisierte Unterrichtskonzepte auf das Leistungsvermögen jedes

Einzelnen einzugehen. Dadurch und durch das längere gemeinsame Lernen sollen neue

Chancen eröffnet und die Leistungsfähigkeit der Schüler/innen erhöht werden. Im Ergebnis

wird auf diese Weise das Selbstvertrauen gestärkt, um Schüler/innen so zu bestmöglichen

Abschlüssen zu begleiten.

Durch fachliches und fächerübergreifendes Lernen werden grundlegende Kompetenzen

und Einstellungen vermittelt, die ein wesentlicher Bestandteil einer Erziehung zur Mündigkeit

in einer offenen und pluralen Gesellschaft sind. Diese werden in der Schuleingangsphase

angebahnt und kontinuierlich weiterentwickelt“ (Leitfaden, S. 3f.).

3 Fragestellungen und Design der wissenschaftlichen Begleitung

Der Auftrag der wissenschaftlichen Begleitung des Schulversuchs wurde im Rahmen einer

Ausschreibung vergeben, bei der aus einer Reihe von eingegangenen Begleitkonzepten ein

Konsortium der Universitäten Bremen und Münster in einem doppelt blinden Begutachtungsverfahren

durch externe Expert/innen den Zuschlag erhielt. Die wissenschaftliche Begleitung

hat den Auftrag, die Entwicklungsarbeit an den fünf Standorten des Schulversuchs zu beobachten,

zu dokumentieren und zu analysieren und den Schulversuch auf diese Weise formativ

zu evaluieren. Der Aufbauprozess der Schulen soll untersucht werden, und es sollen im

Verlauf gewonnene Erkenntnisse der wissenschaftlichen Begleitung über Berichterstattung

und im Austausch mit den Schulen in die Umsetzung des Schulversuchs eingespeist werden.

Die Befunde der wissenschaftlichen Begleitung sollen dazu beitragen, Ge- und Misslingensbedingungen

des Schulversuchs zu identifizieren. Die in der Ausschreibung des Ministeriums

für Schule und Weiterbildung aufgeworfenen Forschungsfragen (MSW 2014) lassen sich zu

vier Beobachtungsfeldern verdichten:

5

1. Welches Gefüge bedingt die Errichtung der Primus-Schule am jeweiligen Standort?

Hierzu sind die Vorgeschichten und Entwicklungspfade der fünf Schulen aus einer expost-

Perspektive zu rekonstruieren.

2. Wie verläuft die Genese und weitere Entwicklung des pädagogischen Konzepts? Mit

dem Antrag auf Errichtung einer Primus-Schule musste auch ein pädagogisches und

schulorganisatorisches Konzept eingereicht werden. Es ist zu untersuchen, von wem

die pädagogischen Konzepte formuliert wurden, welche pädagogischen Zielsetzungen,

Programme und Entwürfe zu ihrer Umsetzung in ihnen enthalten sind. Dies ist ins

Verhältnis zu setzen zu den vorgegebenen konzeptionellen Eckpunkten und pädagogischen

Leitideen des Schulversuchs.

3. Wie werden die Zielsetzungen des Schulversuchs bearbeitet? Mit Blick auf die Realisierung

des jeweiligen pädagogischen Konzepts nach Errichtung des Schulversuchs ist

zu klären, wie diese Entwürfe umgesetzt, welche Erfahrungen damit gesammelt, wie

sie korrigiert werden und welche Probleme und Aufgaben im Schulentwicklungsalltag

entstehen. Genauer ist die Umsetzung des Schulversuchs im Hinblick auf folgende

Themen zu beobachten: Jahrgangsmischung und stufenübergreifenden Zusammenarbeit,

Haltekraft und Bindungswirkung, Umgang mit dem Ressourcen-Etikettierungs-

Dilemma und Entwicklung inklusiver Unterrichtskonzepte.

4. Wie positionieren sich die am Schulversuch beteiligten Akteure? Die Tragfähigkeit

und erfolgreiche Bewährung des Schulversuchs hängt nicht nur von strukturellen

Rahmenbedingungen und Voraussetzungen am Standort ab, sondern ebenso davon,

wie sich Akteure in den Schulversuch einbringen und welche Gelegenheiten sie erhalten,

den Schulversuch zu beeinflussen und mitzugestalten. Damit sind jene individuellen

Dispositionen angesprochen, die im Schulentwicklungsdiskurs als Akzeptanz, Haltung

und Innovationsbereitschaft insbesondere von Lehrkräften, aber auch von Eltern

und Schüler/innen bezeichnet werden.

Die Fragestellungen beziehen sich auf den Gesamtprozess der Umsetzung des Schulversuchs

PRIMUS. Nicht nur aus Gründen der Ressourcenausstattung ließen sich nicht alle Aspekte in

der ersten Phase der wissenschaftlichen Begleitung untersuchen, sondern vor allem auch aus

dem systematischen Umstand, dass sich der Schulversuch noch in seiner Aufbauphase befindet

und die Primus-Schulen noch im Aufwachsen sind. Gerade die Frage der Haltekraft im

Übergang zur Sekundarstufe ist ein wesentliches Beobachtungsfeld, das erst in der zweiten

Phase zum prominenten Gegenstand der wissenschaftlichen Begleitung gemacht werden

kann.

Die wissenschaftliche Begleitung verfolgt nicht das Vorgehen einer quantitativ angelegten

Wirkungsforschung. Sie richtet ihr Vorgehen am Ansatz einer qualitativen Prozessanalyse aus

und verwendet dafür Methoden der qualitativen Sozialforschung, insbesondere Interviews und

Gruppendiskussionen, aber auch Dokumentenanalysen und vereinzelte Unterrichtsbeobachtungen.

Schulentwicklungstheoretisch wird damit der Fokus auf die organisationalen und pädagogischen

Aktivitäten der vor Ort beteiligten Akteure und die in diesen geschaffenen inneren

Strukturen und Prozesse gelegt. Insbesondere wurden in den Untersuchungen in der ersten

Phase der wissenschaftlichen Begleitung die Aktivitäten der Schulleitungen und Kollegien

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beobachtet. Im Mittelpunkt der Beobachtung steht die Mesoebene der Schule als in einer bestimmten

Umwelt angesiedelte pädagogische Organisation und Handlungseinheit, in der die

Schulleitung und die Lehrpersonen Entwicklungsaufgaben und Problemlösungsstrategien

entwerfen, umsetzen, korrigieren und gegebenenfalls revidieren.

Als Begleitung hat das Konsortium auch an den Schulleiterdienstbesprechungen teilgenommen

und an der Konzeption und Organisation der bislang zwei Primus-Fachtage (jeweils im

Frühjahr 2017 und 2018) in Oberhausen mitgewirkt, an denen die Kollegien der 5 Primus-

Schulen Fragen der Entwicklung ihrer Schulen im Austausch miteinander diskutierten. Außerdem

konnte in der ersten Phase eine enge Abstimmung und fruchtbare Kooperation mit der

ministeriellen Ebene hergestellt werden.

4 Zentrale Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der ersten Phase der wissenschaftlichen

Begleitung

• Der Schulversuch PRIMUS verfügt in seiner Anlage über eine bildungspolitische Alleinstellung

und kann ein besonderes Anregungspotenzial im Kontext der Einrichtung von

Schulen des längeren gemeinsamen Lernens freisetzen.

Grundsätzlich ist aus einer systemischen Perspektive auf die Alleinstellung des Schulversuchs

PRIMUS und sein besonderes Potenzial als Impulsgeber für die Schulentwicklung im Land

hinzuweisen. Nordrhein-Westfalen hat seit dem Schulpolitischen Konsens von 2011 seine

Schulstruktur weiterentwickelt und damit auf die demographische Entwicklung und gestiegene

Bildungsaspirationen sowie auf die vielfach durch verschiedenste Studien bundesweit immer

wieder dokumentierten Leistungs- und Gerechtigkeitsprobleme des Schulsystems reagiert.

Wie in vielen anderen Bundesländern, die mit ähnlichen Problemstellungen umzugehen

haben, wurden mit dem Schulversuch Gemeinschaftsschule bzw. der Sekundarschule als neuer

Regelschulform Schulen des längeren gemeinsamen Lernens eingerichtet.

Der Schulversuch PRIMUS nimmt in diesem schulpolitischen Kontext eine besondere Position

ein. Zum einen wird in diesem Schulversuch die Orientierung am längeren gemeinsamen

Lernen in der Zusammenführung der Primar- und Sekundarstufe in einer institutionalisierten

Langform noch konsequenter verfolgt als in den Gemeinschafts- bzw. Sekundarschulen, die

sich auf die Sekundarstufe I (mit Oberstufen-Option in der Gemeinschaftsschule) beschränken.

In keinem anderen Bundesland bzw. Schulversuch wird in dieser Konsequenz an der

Entdramatisierung der Problematik des Übergangs von der Primar- in die Sekundarstufe gearbeitet.

1 Zudem werden – vor dem Hintergrund der geringen prognostischen Validität der

1 Zwar gibt es auch in anderen Bundesländern Langformoptionen (z.B. in Baden-Württemberg, wo sich die Gemeinschaftsschulen

optional mit Grundschulen verbinden, oder in Hamburg oder Berlin, wo die Stadtteil- bzw.

Gemeinschaftsschulen ebenfalls, allerdings in Hamburg in teilorganisatorischer Eigenständigkeit, mit Grundschulen

zusammengehen können). Strukturell vergleichbar mit den Primus-Schulen sind am ehesten die Berliner

Gemeinschaftsschulen sowie einzelne Reformschulen wie die Laborschule Bielefeld, die Gemeinschaftsschule

Potsdam oder nicht-staatliche Schulen wie Waldorfschulen oder die freien Alternativschulen, die ein durchgängiges

Angebot von der ersten bis zur zehnten Klasse bereitstellen.

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Laufbahnempfehlungen und des nachweislichen Einflusses der sozialen Herkunft auf Schulwahlentscheidungen

– durch die Aussetzung des Übergangs nach Klasse 4 die Bildungswege

in der Sekundarstufe entwicklungssensibel offengehalten.

Zum anderen werden im Schulversuch PRIMUS in besonderer Weise durch die konzeptionellen

Vorgaben zur inneren Ausgestaltung der Schul- und Lernkultur, auf die sich die teilnehmenden

Schulen verpflichten mussten, Prozesse in der Schul-, Unterrichts- und Professionsentwicklung

vorangetrieben. Mit diesen Vorgaben, insbesondere den Erwartungen an jahrgangsgemischte

Lernarrangements und stufenübergreifende Konzepte zur Integration von

Übergängen sowie einen individualisierten Unterricht, wird im Schulversuch ein pädagogischer

Rahmen abgesteckt. Er wird von den fünf Primus-Schulen jeweils in eigenständiger

Weise ausgefüllt und eröffnet damit ausreichende Gestaltungsfreiräume. Diese pädagogische

Anlage verleiht dem Schulversuch ein besonderes Profil und eine ungewöhnliche Stringenz.

Der Schulversuch bietet damit nicht nur die Möglichkeit, eine Strukturalternative für bestimmte

Sozialräume (ländlich, kleinstädtisch bzw. Standorte mit wenig ausdifferenziertem

Schulangebot), sondern auch innerschulische Ansätze und Konzepte in der Schul- und Unterrichtsentwicklung

zu erproben, die für andere Schulen und Schulstandorte in Nordrhein-

Westfalen Impulse geben können.

• An allen Standorten lässt sich eine stabile Nachfrageentwicklung beobachten. Erste Beobachtungen

lassen auch eine hohe Haltekraft der Primus-Schulen erwarten.

Ein wesentlicher äußerer Indikator für die Akzeptanz der Primus-Schulen sind die Anwahlzahlen

wie auch die realisierte Bindung der Schüler/innen und ihrer Eltern an die jeweilige

Primus-Schule über die Primarstufe hinaus. Als zentrales Gelingenskriterium kann man also

formulieren, dass der Schulversuch dann erfolgreich ist, wenn die Schulen in ausreichender

Weise nachgefragt werden, wenn sie die Schüler/innen bis hinein in die Sekundarstufe halten

können, wenn also wenig Schüler/innen die Schule verlassen, um ihre Schullaufbahn in einer

anderen Schulform fortzusetzen.2

Alle Schulen konnten bislang die für die jeweilige Zügigkeit erforderlichen Anmeldezahlen

ins erste Schuljahr, Schalksmühle, Münster und Minden auch die erforderlichen Anmeldezahlen

ins fünfte Schuljahr erreichen (vgl. Tab. 2).

Züge 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18

Minden (Jg.1/Jg.5) 3 65/ 94 57/ 81 62/ 73 59/ 73 60/69

Münster (Jg.1/Jg.5) 2 ---/--- 50/69 41/60 54/63 50/47

Titz (Jg. 1) 2 ---/--- 45 42 49 63

Schalksmühle (Jg.1/Jg.5) 2 ---/--- 58/ 60 52/ 57 68/ 60 60/ 49

Viersen (Jg.1) 3 ---/--- 74 75 74 67

2 Darüber hinaus hätten sich die Schulen dann bewährt, wenn sie bei den Lernstandserhebungen und den Abschlüssen

am Ende der Sekundarstufe 1 mit akzeptablen Ergebnissen aufwarten können, wobei der Maßstab zu

definieren wäre, was dann am jeweiligen Schulstandort als akzeptabel zu gelten hätte. Erstmalig haben die 5

Primus-Schulen an den Lernstandserhebungen 2017 mit respektablen Ergebnissen teilgenommen.

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Tab. 2: Anmeldezahlen an den Primus-Schulen

Teilweise werden die Primus-Schulen von mehr Schüler/innen angewählt als die Schulen aufnehmen

können. Für Viersen und Schalksmühle liegen Anmeldungen aus Nachbargemeinden

vor. Der Primus-Schule Titz ist es aufgrund der hohen Nachfrage ermöglicht worden, eine

dritte Lerngruppe in Klasse 5 im Schuljahr 2018/19 zu bilden.

• Der konsistente strukturelle wie auch pädagogische Rahmen der Verbindung von Primarund

Sekundarstufe eröffnet für die Schüler/innen und ihre Eltern einen von Selektionsdruck

entlasteten Horizont für die Planung und Gestaltung ihrer Bildungsgänge.

Der Anlage des Schulversuchs ist das Potenzial inhärent, die Schüler/innen vor drastischen

äußeren Brüchen zu bewahren und so Übergänge zu entspannen. Der Besuch einer Primus-

Schule ermöglicht den Schüler/innen die Erfahrung sozialer Kontinuität und entlastet sie genauso

wie ihre Eltern, die sonst bereits nach Klasse 4 weitreichende Schulwahlentscheidungen

zu treffen haben, vom üblichen Selektionsdruck. Die Haltekraft wird sich erstmalig beim

Wechsel der im Gründungsjahr der Primus-Schulen als Erstklässler/innen angemeldeten Kinder

in die 5. Klasse zeigen. Nach den ersten Erfahrungen der Schulleitungen aus Elterngesprächen

sind es nur sehr wenige Schüler/innen bzw. Eltern, die beabsichtigen, auf eine andere

Schule beim Übergang in den 5. Jahrgang zu wechseln, und die dies dann auch tatsächlich

tun. Die allermeisten Schüler/innen entwickeln eine starke Identifikation mit ihrer Primus-

Schule, was auf hohe bisher entfaltete Haltekräfte der Schulen schließen lässt. In der wissenschaftlichen

Begleitung der zweiten Phase kann dieser Themenkomplex genauer als bisher

möglich durch Interviews mit Schüler/innen und Eltern beleuchtet werden.

In der Primus-Schule Minden fand der Übergang der ersten Primus-Schüler/innen erstmals im

Schuljahr 2017/18 statt, für die anderen vier Standorte wird er erstmals zum Schuljahr

2018/19 stattfinden. In der Primus-Schule Minden sind beim Übergang in die fünfte Klasse

lediglich zwei Schüler/innen von der Primus-Schule auf eine Realschule gewechselt; für die

anderen Standorte zeichnet sich bis auf eine Ausnahme ebenfalls ab, dass es beim Wechsel

der ersten Kohorte von Primus-Schüler/innen in die fünfte Klasse nur vereinzelte Abmeldungen

geben wird. Abmeldungen sind insbesondere dann zu erwarten, wenn die Zukunftsperspektiven

der Schulen – etwa wie im Fall der Primus-Schule Viersen die zentrale Gebäudefrage

– ungeklärt sind bzw. ungeklärt bleiben.

• Die Aufbauphase zeigt, dass die Primus-Schulen in den ersten Jahren in der Entwicklung

der Jahrgangsmischung unterschiedliche Wege eingeschlagen haben. Innerhalb des verbindlichen

pädagogischen Rahmens sind verschiedene Modelle der Umsetzung zielführend.

Ein Motiv für die Etablierung jahrgangsgemischter Lernarrangements an den Primus-Schulen

ist die Integration der Schulstufen im Übergang von Klasse 4 nach 5. Grundsätzlich ermöglicht

das jahrgangsgemischte System eine Flexibilisierung der Verweildauer in einer Stufe.

Schüler/innen dürfen mehr oder weniger Zeit für einen bestimmten schulischen Abschnitt

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brauchen. Jahrgangsübergreifender Unterricht eröffnet hierfür deutlich bessere Möglichkeiten

als in jahrgangsgebundenen Lerngruppen, die nicht mit einer Etikettierung leistungsschwacher

bzw. besonders unterstützungsbedürftiger Schüler/innen verbunden sind.

Bei fünf Primus-Schulen, die der Schulversuch insgesamt umfasst, sind vier unterschiedliche

Konzepte jahrgangsübergreifender Lerngruppen entstanden (vgl. Abb. 1). Während die beiden

Primus-Schulen in Minden und Münster eine Jahrgangsmischung in drei Jahrgänge umfassenden

Lerngruppen so lange wie möglich realisieren und die noch nicht existierende 10.

Klasse als jahrgangshomogenen Abschlussjahrgang belassen, organisiert die Primus-Schule in

Schalksmühle die Stufen 1 und 2 in gleicher Weise und nimmt dann in der Sekundarstufe

nach Jahrgangsstufe 6 eine Mischung in Doppeljahrgängen vor. Alle drei Modelle zeichnen

sich dadurch aus, dass sie die im klassischen Schulsystem vorkommende Zäsur zwischen

Primar- und Sekundarstufe in jahrgangsgemischten Lerngruppen auf der Ebene der Lerngruppenorganisation

verklammern. An den Standorten Viersen und Titz ist dies – bezogen auf die

Ebene der Einrichtung von festen Lerngruppenverbänden – nicht der Fall. In Viersen werden

durchgehend Doppeljahrgänge gebildet, wodurch der Übergang in die Sekundarstufe im Hinblick

auf die Lerngruppenorganisation nicht verklammert ist. Beide Schulen arbeiten aber

konzeptionell den Übergang von 4 nach 5 aus und versuchen die Verklammerung auf der

Ebene des Lehrereinsatzes und der curricularen Strukturen pädagogisch auszugestalten.

Abb. 1: Implementierte Organisationsformen der jahrgangsgemischten Lerngruppenbildung

Derzeit steht in allen Schulen noch der Schritt in die jahrgangsübergreifende und inklusive

Arbeit der Klasse 7-9 aus. Die Diskussion um das Verhältnis von (weniger) Fachunterricht

und (mehr) Klassenlehrerunterricht ist ein Hinweis darauf, dass die Entwicklung eines schul10

intern nötigen Curriculums und der entsprechenden Materialien und einer geeigneten Leistungsbeurteilung

dazu für die Lehrkräfte eine große Aufgabe darstellt.

Der sichere Umgang mit grundlegenden Arbeitsweisen ist eine wesentliche Voraussetzung für

selbstständiges Lernen. Daher ist es wichtig, die im Elementar- und Primarbereich entwickelten

Kompetenzen in den nachfolgenden Jahrgängen durch anschlussfähige Lernarrangements

ohne größere Brüche weiter auszubauen, damit den Schüler/innen ein kumulativer Kompetenzerwerb

ermöglicht wird.

Für die Lehrkräfte ist der Anspruch konstitutiv, die Heterogenität in den jahrgangsübergreifenden

Lerngruppen anzuerkennen und die Kinder individuell zu begleiten. Aus Sicht der

Lehrkräfte trägt dies dazu bei, dass die Schüler/innen einen offenen Umgang mit unterschiedlichen

Leistungsständen pflegen. Alle Kinder können sich prinzipiell trotz sichtbar unterschiedlicher

Leistungen gleichberechtigt einbringen. Das impliziert aus der Sicht der Schulleitungen

und Lehrkräfte, dass im Schulversuch PRIMUS im Allgemeinen ein positives Sozialklima

das Lernen erleichtert und Inklusion ermöglicht wird.

• Von dem Schulversuch gehen positive Impulse auf die Professionsentwicklung an Primus-

Schulen aus. Veränderte berufliche Anforderungen bewegen die Lehrkräfte zu einer Arbeit

am eigenen beruflichen Selbstverständnis.

Gleichermaßen wirkt sich die stufenübergreifende Anlage des Schulversuchs auch auf die

Lehrkräfte aus, die in den Primus-Schulen arbeiten. Die Grundschullehrkräfte sind davon befreit,

frühe Selektionsentscheidungen in Form von Laufbahn- bzw. Übergangsempfehlungen

zu treffen. Im Schulversuch wird so eine zentrale Paradoxie der Grundschule – jene zwischen

‚fördern zu wollen’ und ‚selektieren zu müssen’ – unwirksam. Darüber hinaus erwächst für

alle Lehrämter, die in den Primus-Schulen tätig sind, aus der Maßgabe schulstufenübergreifender

Unterrichtstätigkeit und Zusammenarbeit nicht nur die Anforderung, sich auf Kooperation

einzulassen, sondern auch am stufenbezogenen pädagogischen Selbstverständnis des eigenen

Lehramts zu arbeiten und dieses im Austausch mit den Kolleg/innen im Schulversuch

zu erweitern. Die Lehrkräfte im Schulversuch stellen sich dieser Anforderung und werden

selbst zu Lernenden, deren professionelle Selbstverständnisse in Bewegung geraten. Mit Blick

auf die Langform nehmen sie eine erweiterte pädagogische Verantwortlichkeit für ihre Schüler/

innen wahr. Es deutet sich in den Interviews mit den Lehrkräften an, dass die Kontinuitätserfahrungen

in der Primus-Schule auch ihnen neue Sinnressourcen erschließen, z.B. längerfristig

an der schulischen Entwicklung und dem Bildungserfolg der Schüler/innen teilhaben

und teilnehmen zu können. Die Lehrkräfte können den Schulversuch als Kontext der eigenen

beruflichen Weiterentwicklung nutzen.

• Primus-Schulen stellen sich in besonderer Weise den Anforderungen der Inklusion. Um

dem gerecht werden zu können, benötigen sie besondere Ressourcen.

Die Entlastung vom Selektionsdruck im Übergang in die Sekundarstufe und auch das Profil

der Primus-Schulen als inklusive Schule in einem Umfeld nicht-inklusiver Schulen macht

11

diese unter Umständen besonders für Eltern interessant, deren Kinder einen besonderen Unterstützungsbedarf

haben und die sich in schwierigen Lebenslagen befinden. Daraus kann das

Problem resultieren, im Umfeld eher als Förderschule denn als inklusive Schule, die zu allen

Abschlüssen führt, wahrgenommen zu werden. Dies könnte zu einer Abwendung von solchen

Eltern führen, deren Kinder ein hohes Leistungspotenzial mitbringen. Solche Entwicklungen

sind in Zukunft genau zu beobachten und in der Ressourcenzuweisung zu berücksichtigen.

Primus-Schulen arbeiten als inklusive Schule nicht unter den Ausstattungsbedingungen von

Förderschulen. Sie benötigen aber im Falle einer hohen einzelschulischen Inklusionsquote

möglicherweise auch eine höhere Zuweisung an (sonderpädagogischen) Ressourcen. Das

Ressourcenproblem lässt sich durch die Umstellung auf jahrgangsgemischte Lerngruppen

nicht entschärfen.

Vor diesem Hintergrund kann auch die Frage nach dem Umgang mit dem Etikettierungs-

Ressourcen-Dilemma in Primus-Schulen in besonderer Weise virulent werden. Damit Kinder

zu ihrem Recht auf besondere Unterstützung und Nachteilsausgleich kommen, muss eine Statuierungsdiagnostik

bzw. ein AO-SF-Verfahren durchgeführt werden, das Schüler/innen als

solche mit einem besonderen Unterstützungsbedarf identifiziert und festschreibt, was von den

Schulleitungen und Lehrkräften aufgrund der damit einhergehenden Etikettierung aus pädagogischer

Perspektive eher kritisch gesehen und abgelehnt wird. Um den Förder- und damit

Ressourcenbedarf nach außen sichtbar zu machen und zieldifferentes Unterrichten zu ermöglichen,

ist das Feststellungsverfahren jedoch erforderlich. Eine Entschärfung dieses Dilemmas

wird nur dann gelingen, wenn die Schulen möglichst grundständig mit ausreichenden Ressourcen

ausgestattet werden, so dass ein ressourcensicherndes AO-SF-Verfahren verzichtbar

wird.

5 Ausblick auf die zweite Phase der wissenschaftlichen Begleitung

Der Schulversuch PRIMUS zielt auf eine Entdramatisierung des Übergangs von der Grundschule

in die Sekundarstufe, der im erziehungswissenschaftlichen Diskurs als einer der neuralgischen

Punkte für das Entstehen von Bildungsbenachteiligungen im deutschen Bildungssystem

benannt wird. Mit der Einführung von Jahrgangsmischung über die Primarstufe hinaus,

insbesondere mit der Etablierung der Jahrgangsmischung in den Jahrgängen 4-6, werden

die Primus-Schulen in den nächsten Jahren in Prozesse der Schulentwicklung involviert sein,

für deren Gestaltung es bundesweit wenige Vorbilder gibt. Gleichzeitig geben diese der Primus-

Schule ihre spezifische Gestalt. Insofern wird die Gestaltung des Übergangs und die dazu

von der jeweiligen Schule gewählte Form der Jahrgangsmischung ein zentraler Ausgangspunkt

für die wissenschaftliche Begleitung sein. Mit der Frage nach der Haltekraft der Primus-

Schulen am Übergang in die Sekundarstufe werden neben den bisher im Fokus der wissenschaftlichen

Begleitung stehenden Perspektiven der Schulleitungen auf die Entwicklung

der Primus-Schule zusätzlich die Akteursgruppen der multiprofessionellen Teams, der Eltern

und der Kinder relevant.

Die wissenschaftliche Begleitung wird daher in der zweiten Projektphase von 2017 bis 2020

neben den regelmäßigen Follow-up-Interviews mit den Schulleitungen möglichst professionsgemischte

Gruppendiskussionen, Gruppeninterviews und Einzelinterviews mit Kindern und

Interviews mit Eltern durchführen. Zuletzt wird auch von der im Rahmen der wissenschaftli12

chen Begleitung entstehenden Promotionsstudien Beiträge zur Begleitforschung erwartet. Die

wissenschaftliche Begleitung wird sich an den beiden Standorten arbeitsteilig organisieren:

Die Universität Münster zeichnet für die Erhebung und Analyse der Daten aus der Eltern- und

Kindperspektive verantwortlich, die Universität Bremen wird die Schulleitungs- und Lehrerinterviews

durchführen und auswerten. Unberührt davon bleibt die Vereinbarung, dass jede

der 5 Schulen klare Ansprechpartner hat, so wie dies in der ersten Begleitphase bereits der

Fall war. Am Ende des zweiten Begleitzeitraums wird die wissenschaftliche Begleitung einen

Abschlussbericht vorlegen.

Wie auch in der ersten Begleitphase soll in der wissenschaftlichen Begleitung im Sinne einer

formativen Evaluation eine doppelte Ausrichtung weiterverfolgt werden, nämlich zum einen

eine Analyse der Entwicklungsarbeit wie zum anderen eine laufende Unterstützung der Schulen

durch regelmäßige Vernetzungsangebote und auch durch jeweils im Einzelnen mit den

Schulen zu vereinbarende Hilfestellungen.

6 Empfehlungen

1. Die Primus-Schulen benötigen flexible und zuverlässige äußere Rahmenbedingungen vor

Ort und administrative Regelungen, die ihren Bestand auch als kleinere Einheiten sichern

können.

Auch wenn die Dreizügigkeit erstrebenswert ist, sollte eine Primus-Schule grundsätzlich

ebenso regulär als zweizügige Schule geführt werden können. Die Möglichkeit des Seiteneinstiegs

in Klasse 5 sollte möglichst kontrolliert und im Umfang geringgehalten werden. Wenn

Primus-Schulen zu viele Schüler/innen erst in der fünften Klasse aufnehmen, konterkariert

dies die Grundidee des Schulversuchs einer kontinuierlichen Bildungsbiografie und stellt die

Schulen vor schwierige Bedingungen im Hinblick auf die Lerngruppenbildung. Insgesamt

sind – wie bereits geschehen – auch weiterhin passgenaue administrative Regelungen für die

Langform durch die Schulaufsicht zu finden. Dazu ist weiter für einen regelmäßigen Austausch

der zuständigen Dezernent/innen der fünf beteiligten Bezirksregierungen mit dem

MSB und den Schulleitungen zu sorgen.

Die Primus-Schulen benötigen gerade als Schulen im Aufbau, die sich parallel mit verschiedenen

Entwicklungsaufgaben auseinandersetzen, ausreichende personelle Ressourcen, um

ihre Entwicklungs- und Leistungsprozesse in Einklang zu bringen.

An den Standorten müssen die räumlichen Voraussetzungen in Bezug auf Teil-

Standortlösungen und Gebäudeausstattungen geklärt sein, sonst belastet dies die Haltekraft im

Inneren und das Image der Schulen und damit deren Anziehungskraft nach außen, insbesondere

gegenüber Eltern.

2. Die Begrenzung des Schulversuchs auf 5 Einzelschulen bietet Chancen, die in konzertierter

Schulentwicklung noch effektiver genutzt werden sollten.

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Auch wenn sich die Primus-Schulen auf individuellen Wegen der Schulentwicklung mit dem

Anforderungshorizont des Schulversuchs auseinandersetzen müssen, sind die mit den beiden

Primus-Fachtagungen in 2017 und 2018 begonnenen Vernetzungsbemühungen der Primus-

Schulen fortzusetzen und möglicherweise zu intensivieren. Der weitere Ausbau zu einem aktiven

Netzwerk des Schulversuchs ist anzuraten. Dies nicht nur, um bei aller Varianz auch

eine relative Kohärenz des pädagogischen Profils im Schulversuch zu bewahren. Eine intensivierte

Entwicklungszusammenarbeit fördert auch auf der kollegialen Ebene die Identifikation

der Lehrkräfte mit dem Schulversuch und macht die Schulen an ihren Standorten mehr als

Teil eines mehrere Schulen umfassenden landesweiten Vorhabens sichtbar, nicht als jeweils

„exotische“ solitäre Modellschule.

Die Begrenzung des Schulversuchs auf 5 Einzelschulen ist als besonderes Setting für standortübergreifende

Schul- und Unterrichtsentwicklung zu begreifen. Zu denken wäre hier etwa

an gemeinsame schulinterne Lehrerfortbildungen, die von jeweils einer Primus-Schule ausgerichtet

und zu denen Lehrkräfte der anderen Primus-Schulen eingeladen werden könnten.

Denkbar wäre darüber hinaus auch die Einrichtung von Fokusgruppen zu übergreifenden

Themenstellung der Entwicklung im Schulversuch. Mit solchen Aktivitäten würde nicht nur

die Ebene der Schulleitungen in einen kontinuierlichen ergebnisbezogenen Austausch gebracht,

sondern ebenso die operative Ebene der Kollegien, die schulübergreifende professionelle

Lerngemeinschaften auf Zeit bilden könnten. Für die Zusammenarbeit könnten auch die

Möglichkeiten einer elektronischen Zusammenarbeit auf geeigneten digitalen Plattformen

ausgelotet werden.

3. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt sollte über Perspektiven der Bestandserhaltung und Szenarien

der Verstetigung der 5 Primus-Schulen nachgedacht werden, die über den schulrechtlich

fixierten Versuchszeitraum hinausreichen.

Es ist bereits jetzt zu überlegen, wie die Zukunft der Primus-Schulen nach Auslaufen der

schulrechtlichen Regelungen ab 2024 bzw. 2023 (für die Primus-Schule Minden) sichergestellt

werden kann. Für die Eltern der Schüler/innen, die die Primus-Schulen mit einem großen

Vertrauensvorschuss ausstatten, ist eine verlässliche Zukunftsperspektive bzw. Bestandsgarantie

notwendig. Die Zukunftsperspektive und Bestandsfrage wird gerade auch im Hinblick

auf das Elterninteresse umso drängender, je näher das Ende des Versuchszeitraums

rückt. Um einem Vertrauensverlust vorzubeugen, sollten gegenüber den Eltern der zukünftigen

Kohorten belastbare Aussagen über den Fortbestand über den Versuchszeitraum möglich

sein. Auch wenn danach der Schulversuch erst sukzessive ausläuft, kann die zunehmende

Ungewissheit für die zukünftigen Jahrgänge Eltern abschrecken und zu einer Hypothek für

die Schulentwicklung im Schulversuch werden. Gewissheit und Planungssicherheit sind überdies

auch für Lehrkräfte wichtige Gründe, die die Entscheidung für eine Stelle an einer Primus-

Schule mitbestimmen.

4. Die Primus-Schulen bieten eine tragfähige schulstrukturelle Option für die ländlichen

und kleinstädtischen (Titz, Schalksmühle) bzw. sozialräumlich besonders abgegrenzten

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Standorte (Viersen, Minden, Münster), wo sie ein vollständiges und erreichbares Schulangebot

erhalten.

Einen Erfolg des Schulversuchs in angebotsschwachen Regionen verdeutlicht insbesondere

die Primus-Schule in Titz, die sich nach Zweizügigkeit am Start nun in Richtung Dreizügigkeit

entwickelt. Gerade wegen seines pädagogischen Profils kann der Schulversuch – jenseits

des Szenarios der Standortrettung – unter Bedingungen eines ausdifferenzierten Schulangebots

genauso auch in einer Großstadt wie Münster genügend Attraktivität entfalten. Voraussetzung

hierfür ist eine umsichtige Schulentwicklungsplanung durch den Schulträger und eine

langfristige Perspektive für Eltern und Schüler/innen einer Primus-Schule auf ein anregungsreiches

und vielfältiges Schulangebot auch in der Sekundarstufe 1 und 2. Einige der Primus-

Schulen bauen bereits zum jetzigen Zeitpunkt, lange vor dem Übertritt der ersten Schüler/

innen in die gymnasiale Oberstufe, eine aktive Zusammenarbeit mit jenen Schulen auf, mit

denen für den Anschluss nach Klasse 10 Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen wurden.

So wird bereits frühzeitig eine attraktivitätssteigernde Orientierung auf die Oberstufe möglich.

5. Die wissenschaftliche Begleitung empfiehlt einen Wissenstransfer aus den Primus-

Schulen hinaus in eine breitere Öffentlichkeit, um die Sichtbarkeit des Schulversuchs zu

erhöhen und Impulse für andere Schulstandorte zu geben.

Es sollte überlegt werden, in welcher Weise bereits zum jetzigen Zeitpunkt und in den nächsten

Jahren konkret Impulse aus dem Schulversuch PRIMUS an anderen Standorten bzw. für

andere Schulträger und Einzelschulen in Nordrhein-Westfalen gegeben werden können. Primus-

Schulen bieten nicht nur eine schulstrukturelle Alternative im Sinne von Verbundlösungen

für die Einrichtung von Schulcampussen. Sie können aufgrund ihres pädagogischen Profils

als inklusive ganztägige stufenübergreifende und jahrgangsgemischte Langformschulen

die damit verbundenen Erfahrungen und das Wissen aus der Schul- und Unterrichtsentwicklung

an anderen Standorten übermitteln.

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